Bei den Wahlen in verschiedenen jüdischen Gemeinden in Deutschland (nicht nur in Köln und in Düsseldorf!) treten regelmäßig oppositionelle Kandidatengruppen auf, die meist erfolglos versuchen, Sitze in den Gemeinderäten zu erlangen. Es ist völlig unerheblich, aus wie vielen Personen solche Gruppen bestehen. Sehr oft konnten sie nur die Rolle einer kleinen Opposition beanspruchen, aber die Opposition kann das ruhige und ungestörte Leben der amtierenden Gemeindeführung stören. Und wie wir verstehen, kann die Gemeindeführung, die seit Jahrzehnten auf ihren Posten sitzt, dies nicht zulassen.
Unter der Führung der jüdischen Gemeinde versteht man ausschließlich den Vorstand (Präsidium) und den Gemeinderat (Gemeindevertretung / Repräsentanz). In einigen Gemeinden wählen die Vorstandsmitglieder einen Vorsitzenden (oder Präsidenten).
In diesem Artikel werde ich versuchen, die Situation zu analysieren und mögliche Gründe dafür zu nennen, warum die Opposition wenig oder gar keine Chancen auf einen Sieg hat.
Liste mit den „richtigen“ Kandidaten
Um Wahlen in den jüdischen Gemeinden Deutschlands zu gewinnen, müssen Kandidaten kein umfangreiches und durchdachtes Wahlprogramm schreiben, sich mit Wählern treffen und ihre „fachliche Kompetenz“ in zahlreichen persönlichen Gesprächen unter Beweis stellen. Es ist nicht nötig, darüber zu sprechen, was die Kandidaten bereits für ihre Gemeinschaft getan haben. Natürlich schadet das alles nicht, aber das ist nicht unbedingt notwendig.
Die Vorstände der jüdischen Gemeinden setzen sich nämlich aus zwei Personenkategorien zusammen: dem Vorstand und dem Gemeinderat. Die Mitglieder des Vorstandes sind diejenigen, die die Gemeinde tatsächlich leiten, und viele von ihnen sind schon seit Jahrzehnten im Amt. Bei den Ratsmitgliedern handelt es sich oft um Statisten, deren Aufgabe es ist, den Vorstand zu unterstützen. Auch wenn es im Gemeinderat Personen gibt, die eine eigene, vom Vorstand abweichende Meinung haben und bereit sind, diese zu vertreten, können sie die Situation nicht beeinflussen. Der Gemeindevorstand hat nahezu absolute Macht.
Die einzige Garantie, in den Gemeinderat gewählt zu werden, besteht darin, auf der Liste der Kandidaten zu stehen, die den derzeitigen Vorstand vertreten. Solche Liste wird bei jeder Gelegenheit von Personen verteilt, die im Interesse des Vorstands handeln.
Beispiele für Listen mit „richtigen Kandidaten“ bei den Wahlen in der Synagogen-Gemeinde Köln und der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Die Mitglieder der Gemeindevorstände werden hervorgehoben.
Wahlen 2021 – Synagogen-Gemeinde Köln | Wahlen 2022 – Jüdische-Gemeinde Düsseldorf |
In Grunde genommen besteht die Hauptaufgabe darin, möglichst vielen Wählern eine solche auszuhändigen. Das geht sogar am Wahltag…
Ressourcen der Gemeinde
Der Vorstand der Gemeinde hat das, was die Opposition nicht hat, nämlich absolut alle Ressourcen der Gemeinde.
a) Eine Gemeindezeitschrift, deren Aufgabe es ist, ein Bild des „florierenden jüdischen Lebens“ in der Gemeinde und nach außen zu vermitteln. Eine Art sowjetische „Prawda„-Zeitung mit jüdischem Touch, in der anstelle von KPdSU-Mitgliedern die Mitglieder des Vorstandes präsentiert werden. (Beispiel für eine Gemeindezeitung)
Die Gemeindezeitschrift vermittelt nur ein positives Bild von ihren Vorständen. Die zahlreichen Bilder mit den Spitzenpolitikern der deutschen Städte und Länder sollen die Bedeutung und Unentbehrlichkeit der Gemeindeführung unterstreichen.
Die Erfahrung zeigt, dass der „homo sovieticus“ immer für die aktuelle Führung der Gemeinde stimmen wird. Schließlich wissen wir, dass der „König“ immer recht hat, und selbst wenn der „König“ der Korruption beschuldigt wird und alle Beweise vorliegen, wurde der „König“ von seinen Feinden reingelegt.
Für den „Sowjetmenschen“ ist ein Foto mit dem Bürgermeister einer Stadt oder dem Ministerpräsidenten eines Bundeslandes ein unbestreitbarer Beweis für den Erfolg der Gemeindeführung. Dass solche Fotos nur ein Teil der deutschen politischen Etikette sind, ist vielen nicht bekannt.
Auf diesem Bild sehen Sie die Unterzeichnung der neuen Version (2022) des Staatsvertrages zwischen den jüdischen Gemeinden und der Landesregierung NRW. Links auf dem Bild ist Herr Dr. Oded Horowitz, seit 1993 Mitglied des Gemeinderates der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, seit 2008 im Vorstand der Jüdischen Gemeinde, seit 2012 Vorstandsvorsitzender der Düsseldorfer Gemeinde, seit Vorstandsvorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein. Ganz rechts auf dem Foto ist Hr. Abraham Lehrer zu sehen, seit 1987 Mitglied der Gemeindevertretung der Synagogen-Gemeinde Köln, seit 2003 im Vorstand, Präsident der ZWST und Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland. Bei den Wahlen in ihren Gemeinden stehen sowohl Herr Horowitz als auch Herr Lehrer an der Spitze der Liste, was die Anzahl der erhaltenen Stimmen angeht.
c) Der E-Mail-Versand (Newsletter) ist eine zusätzliche Kontaktmöglichkeit mit jüngeren Gemeindemitgliedern. Wie Sie sicherlich verstehen, verfügt die Opposition über keine Adressdatenbank.
b) Der Gemeindevorstand ist die Instanz, die die Organisation verschiedener Veranstaltungen genehmigt: Feiertage, Feste, Konzerte und andere Veranstaltungen, die in großer Zahl vor den Wahlen stattfinden und bei denen gerne Begrüßungsreden gehalten werden (und Kandidatenlisten verteilt). Für alles zahlt die Gemeinde.
Bei solchen Veranstaltungen, die sich an verschiedene Wählergruppen richten, hat nämlich nur der Vorstand die Möglichkeit, sich zu präsentieren.
Häufig werden vor den Wahlen Treffen des Vorstandes mit Gemeindemitgliedern organisiert, bei denen die Gemeindemitglieder „bei einer Tasse Tee“ ihre Anliegen mitteilen und Fragen stellen können.
Umschreiben wir das bekannte Sprichwort “Wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe“ in „Wessen Brot ich esse, dessen Namen ich wähle“. Nochmals zur Erinnerung: Alles wird aus dem Gemeindebudget finanziert.
Gerüchte und andere nicht koschere Methoden…
Da die entscheidende Stimme in der Regel von einer Gruppe älterer Wähler abgegeben wird, die in der UdSSR geboren wurden (und sehr, sehr leichtgläubig sind), wäre es fast eine „Sünde“, diese Gelegenheit nicht zu nutzen und diese Wählergruppe nicht zu beeinflussen. Es sind die „richtigen“ Personen, die den Vorstand für „unsere glückliche Kindheit und unser sicheres Alter“ loben, während sie gleichzeitig die Gerüchte über die schrecklichen Sünden der Opposition des Vorstands verbreiten. Und glauben Sie mir, es funktioniert ganz hervorragend.
Gemeinschaftseinrichtungen und -organisationen
In großen Gemeinden gibt es eine ganze Reihe verschiedener Organisationen und „unabhängiger“ Organisationseinheiten.
a) Alle Mitarbeiter der Gemeinde sind (direkt oder indirekt) dem Vorstand unterstellt, viele von ihnen sind dem Vorstand gegenüber mehr als loyal. Persönliche Loyalität ist wichtiger als fachliche Kompetenz.
b) Besonders interessant sind die folgenden Bereiche, die nicht nur den Gemeindemitgliedern helfen, die Einnahmen in den Gemeindehaushalt einbringen, sondern vor allem einen direkten Zugang zu älteren Wählern ermöglichen.
- In großen Gemeinden spielt das Altenheim eine wichtige Rolle, um die richtigen Stimmen zu sammeln.
- Viele Gemeinden haben in letzter Zeit eigene ambulante Pflegedienste eingerichtet.
Die ambulanten Pflegedienste sind ein unglaublich wirksames Instrument zur Verbreitung der richtigen Informationen bzw. richtigen Kandidatenliste und zur möglichen Manipulation der Briefwahl.
Stellen sie sich ein solches Gespräch vor (Fantasie des Autors)
Vorstandsmitglied: Liebling, wir planen deine Gehaltserhöhung, aber wir haben eine kleine Bitte an dich. Verteile bitte diese Flyer an Patienten.
Leiter Ambulanz: Ja, gerne
c) Es gibt genügend verschiedene Organisationen in den Gemeinden, die überwiegend auf dem Papier existieren, die aber vor den Wahlen „wiederbelebt“ werden, um zur Verteilung der „richtigen“ Kandidatenlisten eingesetzt zu werden.
Der zweite wichtige Aspekt der Aktivitäten solcher Organisationen ist die Suche nach neuen Kandidaten für die „Unterstützungsgruppe des Vorstands“. Schließlich ist die Aufgabe einfach, die „Opposition“ sollte keine einzige Stimme erhalten und dafür müssen Sie eine Wählergruppe von mindestens 15 Personen für 15 Sitze nominieren.
So könnte beispielsweise ein Frauenklub gegründet werden, in dem unter der „strengen Aufsicht“ der Ehefrauen der Vorstandsmitglieder ein Unterhaltungsprogramm für die Klubmitglieder organisiert wird (Einladung von Referenten zu bestimmten Themen, Ausflüge usw.).
Wählermüdigkeit
Wenn ein junger und intelligenter Wähler die Unabsetzbarkeit der Gemeindeführung beobachtet, wenn sich von Wahl zu Wahl nichts ändert, hat er keine Lust mehr, nicht nur zu wählen, sondern auch in der Gemeinde zu bleiben. Je weniger Menschen bereit sind zu wählen, desto einfacher ist es, für die unabsetzbare Führung der Gemeinde, an der Macht zu bleiben.
Gemeindesatzung (Wahlordnung) und Wahlausschüsse
Die Wahlordnung der Gemeinden (die, die mir bekannt sind), sind so formuliert, dass die Wahlen nicht fair und transparent sein könnten. In der Wahlordnung der Gemeinden, die ich kenne, fehlen die Klausel „Wahlwerbung“ und die Regeln zu seiner Durchführung (hier kommt es zu den meisten Verstößen), wodurch wiederum der Grundsatz der Chancengleichheit für alle Kandidaten nicht eingehalten werden kann. Es gibt auch keine detaillierte Beschreibung der Rechte und Pflichten der Wahlkommissionen.
Erwähnenswert ist die Tatsache, dass die Vorschläge zur Änderung der Wahlordnung von der Gemeindeführung völlig ignoriert werden (Mein Vorschlag für die Synagogen-Gemeinde Köln).
Wie Sie sich vorstellen können, beeinflusst die personelle Zusammensetzung der Wahlkommission direkt ihre Entscheidungen. Die Erfahrung zeigt, dass Entscheidungen der Kommission in absolut identischen Situationen diametral entgegengesetzt sein können, insbesondere wenn es keinen klaren Rechtsrahmen gibt.
Gibt es einen Ausweg?
Wenn Sie wirklich an den Wahlen in der Gemeindevertretung teilnehmen wollen, wenn Sie sich stark fühlen und gewillt sind, sich dem derzeitigen System zu widersetzen und zu versuchen, die Situation zum Besseren zu verändern, dann werde ich mir erlauben, Ihnen einige Ratschläge geben.
Sie sollten sich rechtzeitig auf die Wahlen vorbereiten. Sie müssen an den Sitzungen des Gemeinderats teilnehmen, um zu wissen, was Sie erwartet und mit wem sie es zu tun haben. Auch die Kommunikation mit potenziellen Wählern sollte schon lange vor der Wahl erfolgen. Vielleicht sollten Sie schlauer sein und zunächst dem Team der „garantierten Gewinner“ beitreten, um die notwendigen Informationen und Erfahrungen zu sammeln (besonders, wenn Sie alle interessanten Fakten akribisch dokumentieren würden).
Und die wichtigsten Fragen sind: Wozu brauchen Sie all diese Kopfschmerzen? Welche Ziele sind Ihrer Meinung nach realistisch zu erreichen?
Man muss wohl kein Prophet sein, um zu erkennen, dass die überwiegende Mehrheit der jüdischen Gemeinden in Deutschland keine Zukunft hat und ihre Gegenwart zu 100 % von der staatlichen Finanzierung abhängig ist. Nimmt man die Finanzierung weg, wird alles, was künstlich geschaffen wurde, wie ein Kartenhaus zusammenfallen, und mit ihm diejenigen, die es verwalten wollen, verschwinden.
Vergleichen Sie einfach die verschiedenen Altersgruppen in der Jüdischen Gemeinden in Deutschland…
Alter | Anzahl |
0-3 | 1027 |
4-7 | 1608 |
8-11 | 2069 |
12-18 | 3726 |
19-21 | 2406 |
22-30 | 6510 |
31-40 | 9279 |
41-50 | 9749 |
51-60 | 11620 |
61-70 | 14897 |
71-80 | 15931 |
80+ | 13565 |