Bei politischen Aktivitäten, sowohl auf staatlicher Ebene als auch in jüdischen Gemeinden, ist es nicht ungewöhnlich, dass Diskussionen in persönliche Beleidigungen und Diffamierungen der Gegner übergehen.
Einige Mitglieder der jüdischen Gemeinden vertreten die Ansicht, dass man nicht zornig sein oder einen Groll gegen diejenigen hegen sollte, die Beleidigungen aussprechen oder unwahre Informationen verbreiten. Ihrer Meinung nach sollte man stattdessen Versöhnung und Vergebung anstreben.
Um die Antwort auf meine Fragen zu finden, habe ich mich verständlicherweise an die Gemeinderabbiner, Yechiel Brukner gewandt. Da keine Reaktion erfolgte, habe ich mich bemüht, Informationen aus einer externen Quelle zu bekommen. Die Informationen auf dieser Seite erheben keinen Anspruch auf absolute Vollständigkeit/Genauigkeit.
Fragen
1. Sind Juden aus halachischer Sicht immer verpflichtet, einem anderen Juden zu verzeihen, insbesondere wenn diese Person um Verzeihung bittet?
2. Wie verhält es sich in einem Fall, in dem man weiß, dass diese Person wiederholt, absichtlich lügt oder über eine dritte Person nachweislich falsche Behauptungen verbreitet – und dies trotz mehrfacher Hinweise weiterhin tut?
Folgt dies nicht der logischen Schlussfolgerung? „Ein einmaliges Ereignis könnte ein Zufall sein, ein zweites Mal ein weiterer Zufall, aber beim dritten Mal handelt es sich um ein erkennbares Verhaltensmuster.“
3. Verdient eine Person, die sich durch solches wiederholtes Verhalten auszeichnet, Verzeihung, oder gibt es Grenzen, was Vergebung betrifft?
Antworten
Da die Antworten aus verschiedenen Quellen stammen, werde ich sie nicht wörtlich zitieren, sondern mit meinen eigenen Worten wiedergeben.
Die Grundlagen der Vergebung
Der Midrasch lehrt uns das wichtige Prinzip der Vergebung durch die Geschichte, wie G-tt dem Volk Israel sein Murren verzieh. So sollten wir nicht grausam zu einer Person sein, die aufrichtig um Vergebung bittet, sondern sind verpflichtet, ihr zu vergeben und sogar für sie zu beten. Das Beispiel von Mosche Rabbeinu zeigt, dass er Menschen, die ihn aufrichtig um Vergebung baten, sofort verzieh.
Die Geschichte des Propheten Schmuel erzählt uns, dass er, als das Volk Israel ihn von der Führung absetzen wollte und ihn bat, einen König zu ernennen, ihnen vergab und sagte (Schmuel 1, 12:23): „Auch ich, fern sei mir zu sündigen gegen den Herrn, aufzuhören für euch zu beten“
1. Die halachische Grundhaltung ist, dass Vergebung nur dann notwendig ist, wenn der Täter aufrichtig bedauert (harata (חרטה)) und bereut (teshuva (תשובה)), was er getan hat.
Wie uns der Rambam in „Hilchot Teshuvah“ (Die Gesetze der Reue) lehrt, besteht aufrichtige Reue aus mehreren Stufen: Erkenntnis, Bedauern über die Tat, Beendigung der Tat und der feste Entschluss, sie in Zukunft nicht zu wiederholen. Erst dann sollte der Täter das Opfer aufrichtig um Vergebung bitten, und zwar bis zu drei Mal.
2. Ausgehend von der ersten Antwort kann die Vergebung so lange aufgeschoben werden, bis es Anzeichen für echte Reue und Verhaltensänderungen gibt.
Im Judentum gibt es den Begriff „Hazakah“, der je nach Kontext sowohl „etabliertes Verhaltensmuster“ als auch „Sachverhalt“ im rechtlichen Sinne bedeuten kann. „Hazakah“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das wiederholte Verhalten einer Person als ihr „Normalzustand“ angesehen wird. In seinen Kommentaren zum Talmud stellt der Maharsha (Rabbi Shmuel Eliezer Eidels) fest, dass wiederholte absichtliche Verfehlungen ein Hinweis auf den Charakter einer Person sein können. Systematisches Fehlverhalten deutet bekanntermaßen eher auf ein kontinuierliches Verhaltensmuster als auf einen gelegentlichen Fehler hin.
3. Wenn ich mich nicht irre, schreibt Rabbi Moshe Isserles (Rema) in seinem Kommentar, der als Mapa (Tischtuch) zum Shulchan Aruch (Abschnitt Orach Chaim) bekannt ist, dass, wenn jemand ein schlechtes Gerücht über eine andere Person verbreitet hat, die verletzte Person nicht verpflichtet ist, zu vergeben, selbst wenn der Täter Reue zeigt und sich entschuldigen will, da der angerichtete Schaden nicht vollständig rückgängig gemacht werden kann.
Midat Chassidut (מידת חסידות) – Maß an Frömmigkeit
Wie wir sehen, ist nach der strengen Halacha Vergebung notwendig, aber nur, wenn es aufrichtige Reue und eine Bitte um Vergebung gibt.
Nach dem Konzept der „Midat Chassidut“ wäre es jedoch eine gerechtere Handlung, die Kraft zum Verzeihen zu finden. Dies beruht auf dem Konzept „über dem Wortlaut des Gesetzes“ (lifnim mishurat hadin – לפנים משורת הדין), bei dem man mit mehr Barmherzigkeit handelt, als das Mindestmaß des Gesetzes erfordert. Barmherzigkeit und Vergebung gehören zu den wesentlichen Eigenschaften G-ttes. Daher ist es ein höherer spiritueller Anspruch und eine gerechtere Handlung, die Kränkung zu überwinden und zu vergeben.
P.S.
Die Fragen wurden sowohl von Rabbinern in Deutschland als auch aus dem Ausland beantwortet. Liebe Rabbiner, herzlichen Dank für Ihre Hilfe!