Der vorliegende Artikel stellt meine bescheidene allgemeine Beurteilung der Wahlprogramme der Kandidaten aus der Gruppe „Sicher und Gemeinsam für unsere jüdische Zukunft“ dar. Der Vizepräsident des Zentralrates der Juden, Hr. Abraham Lehrer ist ein Mitglied dieser Gruppe.
Die Wahrnehmung von außen und die Gier nach Macht
Ich nehme an, dass den verehrten Leser, genauso wie mich ich, die Tatsache überrascht, dass 16 von 18 Kandidaten sich als eine einheitliche Gruppe bewarben. Von solch einer Einigkeit Meinung und Ansichten betreffend kann der russische Präsident Wladimir Putin nur träumen. Auch hinsichtlich der Zahl der Wiederwahlen wurden Putin und Lukaschenko längst überholt.
Vom gesunden Verstand und historischer Erfahrung der Wahlkampagnen unterschiedlichen Niveaus ausgehend kann man zurückschließen, dass solche sogenannten Parteilisten ausschließlich dann eingesetzt werden, wenn eine vergleichbare Liste der Konkurrenten existiert. Eine Parteiliste hilft in diesem Fall, einen offenkundig schwachen Kandidaten durchzubringen, besonders wenn man ihn mit einem ähnlichen Spruch ausstattet, wie „Nur zusammen können wir die aufgestellten Ziele erreichen“. Meiner Ansicht nach erscheint die Lösung der Untergruppe, die sich aus vier Kandidaten zusammensetzt, von der Gesamtgruppe besonders komisch.
Und nun lassen Sie uns diese Situation aus einer anderen Perspektive betrachten, beispielsweise aus der Sicht des angekündigten Kampfes gegen den Antisemitismus. Was vermuten Sie, was es heißt, wenn 15 Plätze von 18 Kandidaten beansprucht werden, 16 von welchen sich als eine einheitliche Gruppe bewerben? Man könnte dies als „Machtgier“ bezeichnen, die den Vertrauensverlust für die gesamte Gemeinde in Kauf nimmt. Beschuldigen die Antisemiten die Juden denn nicht dieser Sünde?
Andererseits besteht ein Klischee von klugen und schlauen Juden, doch die Synagogen-Gemeinde Kölns zerschlägt diesen Mythos mit Leichtigkeit. Würden sich denn schlaue Juden mit einer Liste aus 16 Personen um 15 Plätze bewerben?
Wie sehr muss man die absolute Macht begehren, dass man sich vor zwei unabhängigen Kandidaten, Herrn Krymalowski und Herrn Fuhrmann, fürchtet? Denn aus rein mathematischer Sicht können die zwei Kandidaten keinen Einfluss auf die zu treffenden Entscheidungen nehmen. Ihnen bleibt lediglich das Recht, ihre Meinung auszusprechen und dagegen zu stimmen. Oder könnten sie das sehen und hören, was man weder sehen noch hören darf?
Nun stellt sich die Frage an die Kandidaten aus der Gruppe „Sicher und gemeinsam für unsere jüdische Zukunft“: Warum erscheinen die Herren Krymalowski und Fuhrmann für Sie ungünstig?
Die Führung der jüdischen Gemeinschaft, genauso wie die Mitglieder der deutschen jüdischen Gemeinden, sorgen sich oft um die Demokratie in den verschiedenen Orten des Planeten. In ihrer eigenen Gemeinde würden sie gern 15 von 15 Plätzen belegen! Finden Sie nicht, verehrte Kandidaten, dass eine solche Herangehensweise nicht ganz demokratisch ist? Ich vermute, dass aus der Sicht der Verteilung der Sitze im Parlament (d.h. im Gemeinderat) ein solches Ergebnis allein in Nordkorea erzielt werden könnte.
Wozu so viele Anstrengungen?
Wenn man garantiert in den Gemeinderat gewählt werden möchte, genügt es, über lange Zeit sein Mitglied zu sein. Das trifft besonders auf die Vorstandsmitglieder zu und es liegt der Psychologie der meisten Wähler zugrunde, bekannte und „bewährte“ Gesichter zu wählen.
Alle bestehenden Vorstandsmitglieder wären garantiert gewählt worden, selbst wenn sie anstelle des Wahlprogramms lediglich ihre Namen und Vornamen geschrieben hätten. Allerdings genügt es scheinbar vielen Kandidaten nicht, nur in die Vertretung gewählt zu werden. Sie erzielen vielmehr die garantierte Wahl in den Vorstand und dafür brauchen sie treue Kollegen, öfter aber bloß Statisten.
Beispielsweise, die Kandidaten der Gruppe „Starke Repräsentanz – starke Gemeinde“, verbergen nicht einmal, dass sie sich um einen Platz in der Vertretung bemühen, und nicht im Vorstand. Den möglicherweise Dr. Rado beabsichtigt.
Die Mannschaft ist so stark, wie ihr schwächstes Glied
Es muss berücksichtigt werden, dass faktisch betrachtet die Ansichten eines Mannschaftsmitgliedes auch alle anderen belasten, selbst wenn sie diese nicht teilen.
Verehrte Damen und Herren aus dem bestehenden Vorstand, sind Sie sich sicher, dass zum Beispiel Herr Alexander Grodskij Ihre Mannschaft bestärkt?
Heutzutage kann man vieles über einen Menschen aus den sozialen Medien erfahren. Ich bin fest davon überzeugt, dass jemand, der in der Gemeindevertretung einer jüdischen orthodoxen Gemeinde kandidiert und gleichzeitig eine Vielzahl der YouTube-Kanälen abonniert, die nichts mit jüdischen Themen zu tun hat (ich glaube nicht, dass ich mich vertan habe), dafür nicht gewählt werden soll. Jemand, der sich um das Schicksal der russischen Kultur kümmert und sich um die Gesundheit des russischen Oppositionsbloggers Aleksej Navalnyj sowie um die Erfolge der weißrussischen Opposition sorgt, sich aber gleichzeitig nicht für die Themen interessiert, die mit dem jüdischen Leben verbunden sind, hat in der Gemeindevertretung nichts zu suchen.
Es bietet sich an, einige Posts des Herrn Grodskij zu lesen, um die Antwort auf die einfache Frage zu finden, ob Herr Grodskij es verdient, in den Rat der orthodoxen religiösen jüdischen Gemeinde gewählt zu werden.
Die Aussagen von Herrn Grodskij sind grün / kursiv markiert.
Facebook: www.facebook.com/alexander.grodskij
1.
Grodskij: Schade, dass ich als Atheist das Judentum nicht leben kann.
Ich dache, dass die SGK eine jüdische orthodoxe Gemeinde ist, und deren Vertreter das Judentum leben können.
2.
Grodskij: Ohne Religion wäre das jüdische Volk nicht in der Geschichte geblieben, hätte nicht überlebt. Aber wer braucht ein SOLCHES Überleben?
Kein Kommentar…
3.
Grodskij: Ein Tag ohne Likes ist ein verschwendeter Tag?
Wie genügsam Herr Grodskij ist. Ein würdiger Kandidat in die Gemeindevertretung, nicht wahr?
4.
Grodskij: …So sentimental bin ich, ein Russe nicht durch einen Pass (der ethnischen Herkunft gemeint) oder durch die besondere Süße der Jüdischkeit der russischen Kultur. Das Leben hat mich weit weg von Nika* und Russland gebracht. Ich war in einem Halbschlaf, arbeitete als Nachtwächter in einer Synagoge und träumte von einer wissenschaftlichen Karriere…
*Nika – der wichtigste russische Filmpreis
Warum bezeichnet Herr Grodskij in seinem Wahlprogramm die Arbeit nicht länger als den nächtlichen Wächter, sondern als Arbeit im „Sicherheitsdienst der Gemeinde“? Ja, es ist wohl schwierig jüdischer Abstammung zu sein, aber gleichzeitig russisch im Geiste. Vielleicht würde es Sinn machen, sich nicht länger mit der Jüdischkeit zu quälen, sondern sie offiziell abzulehnen?
5.
Grodskij: Zum Kauf empfehlen….
Merkwürdig, wie kann eine und dieselbe Person „Gegen die Leugnung des Existenzrechtes des Staates Israel“ „offensiv vorgehen“ und ein Buch voller Hass auf den Staat Israel empfehlen?
Ein Beispiel für die Kreativität des „Schriftstellers“ Artem Kirpechenok. Besonders interessant sind die Kommentare und die Facebook-Seite des „Schriftstellers“die Facebook. (leider nur auf Russisch)
6.
Grodskij: Sieht nicht wie ein Neger aus (Link)
Herr Grodskij, ist das eine legitime Aussage? Sind Sie ein Rasist?
Ich hoffe, dass die anderen „Teammitglieder“ diese Ansichten nicht teilen?
Auf dem Bild ist der Sohn des berühmten russischen Lyrikers A.S.Puschkin zu sehen. Der Großvater von A.S.Puschkin hatte afrikanische Wurzeln.
7.
Grodskij: Und es ist nicht einmal irgendein New York City, es ist Moskau. Wie sich die Zeiten ändern. (Link)
Herr Grodskij, als „gebürtiger Moskauer“ und „echter Russe“ entscheidet, wer in der Moskauer U-Bahn sein darf und wer nicht…
8.
Grodskij: Neue deutsche Realität (новая немецкая реальность) (Link)
Ja, Herr Grodskij, Sie als Atteist können es nicht begreifen, dass es Menschen gibt, die an Gott glauben und einen Platz zum Gebet brauchen. Oder mögen Sie den Moslem analog zu den dunkelheutigen Menschen auch nicht?
9.
Diesem hier soll man die Denkmale „kaltmachen“ (stürzen) (Link)
Name: Vasco Núñez de Balboa
Geburtsdatum: 1475
Beruf: Konquistador
Nein, Herr Grodskij ist keinesfalls ein Rassist, er ruft sogar auf, das Denkmal eines Konquistadors zu zerstören.
Ebenfalls beeindruckend ist, dass Herr Grodskij als ein aktiver Kämpfer gegen die Diktatur von Lukaschenko und ein Bewunderer des Werks von Blogger Navalnyj auftritt. Doch auf wundersame Weise kommen bei ihm keine Zweifel auf, ob die Wahlen in unserer Gemeinde demokratisch verlaufen. Herr Grodskij hält es für problematisch, dass irgendwer irgendwo zu lange das Präsidentenamt besetzt, aber der Kämpfer für die Demokratie sieht es nicht ein (auf dem Sofa sitzend wohlbemerkt), dass manche Kandidaten über 30 Jahre im Gemeinderat vertreten sind. (Dabei ist nicht etwa die Amtszeit von Bedeutung, sondern die tatsächliche Leistung für das allgemeine Wohl).
Mir kommen unweigerlich die Worte von Nietzsche: „Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird“
P.S. Ich bin fest davon überzeugt, dass die oben beschriebenen Ansichten definitiv nicht mit einer Position eines Mitglieds in der Gemeindevertretung kompatibel sind.
Also stellen Sie sich die Frage: Wem wollen Sie in die Gemeindevertretung wählen und warum?