Verehrte Mitglieder der Europäischen Rabbinerkonferenz, verehrte Mitglieder des Beth-Dins,
als Jude, dem die Bewahrung der jüdisch-orthodoxen Tradition nicht gleichgültig ist, möchte ich Sie bitten, folgende Situation zu klären, die mir besonders am Herzen liegt und das Leben vieler jüdischer Familien direkt betrifft.
1. Die Antwort auf folgende Frage ist mir selbstverständlich bekannt, aber ich würde gerne eine offizielle Meinung dazu hören:
Dürfen Juden einer deutschen Karnevalstradition folgen, sich daran aktiv beteiligen und öffentlich als Juden an solchen Feierlichkeiten teilnehmen?
Hier eine kurze Erklärung, was Karneval ist:
Der Karneval (auch Fasching genannt) hat seine Ursprünge in den heidnischen Traditionen der germanischen Stämme. Der Kern des Festes ist das Ende des Winters. Somit unterscheidet es sich nicht von dem ostslawischen heidnischen Fest Masleniza. Sowohl Karneval als auch Masleniza sind mit der Verbreitung des Christentums zu christlichen Festen geworden, ohne ihre heidnischen Elemente zu verlieren. Der Karneval wird zu einer Zeit gesellschaftlicher Freude und Unterhaltung, des Tragens von Karnevalskostümen, des Tanzens und des starken Genusses von Alkohol. Die Karnevalsfeierlichkeiten gehen dem Beginn einer 40-tägigen christlichen Fastenzeit voraus.
2. Meine zweite Frage besteht aus zwei Teilen.
In einem Gebäude, das als Synagoge gebaut wurde, gibt es auch andere Räumlichkeiten (Festsaal, auch Gemeindesaal genannt). Fällt das gesamte Gebäude unter das halachische Recht oder nur der Betsaal?
Die Meinung Rabbiner der Deutschen Rabbiner Konferenz: „Die Verhaltensregeln bei Veranstaltungen in einem jüdischen Gemeindehaus unterscheiden sich, je nachdem in welchen Räumlichkeiten des Hauses diese stattfinden.“
Aus der Antwort der Rabbiner wurde mir klar, dass es in Deutschland halachisch erlaubt ist, dass halbnackte Frauen in einem Gebäude, in dem sich eine Synagoge befindet, tanzen dürfen. Gibt es überhaupt halachische Regeln für solche Gebäude?
Ich bin immer davon ausgegangen, dass das Gebäude der Synagoge ein heiliger Ort ist, welcher von der Mesusa an der Tür anfängt.
Technische Information zur Synagoge in Köln, Roonstr. 50
Das Gebäude wurde als Synagoge erbaut und gilt öffentlich als die einzige Synagoge in Köln. Wenn man Bewohner der Stadt Köln nach einer Synagoge fragt, werden sie alle auf die Synagoge an der Roonstr. 50 verweisen. Die Gemeinde hat auch ein weiteres Gebäude, das als Gemeindezentrum gilt.
Ein Blick von außen:
Ein Blick von innen, Betsaal:
Es gibt auch einen sogenannten Festsaal, in dem verschiedene Veranstaltungen durchgeführt werden.
Karneval in der Synagoge
Fotosession im Betsaal der Synagoge: (Foto im neuen Fenster öffnen)
Laut Rabbiner Yechiel Brukner werden keine Fotosession von dem Aron-Hakoidesh mehr stattfinden.
Auch der Vizepräsident des Zentralrates der Juden, Abraham Lehrer ist dabei und zeigt damit seine volle Unterstützung: (Foto im neuen Fenster öffnen)
Meine Fragen in Überblick
- Ist es aus halachischer Sicht zulässig, dass in einem als Synagoge gebauten Gebäude, in dem sich auch ein großer Festsaal befindet, eine Karnevalsveranstaltung durchgeführt wird?
- Fällt das gesamte Synagogengebäude unter das halachische Recht oder nur der Betsaal (Synagoge)?
- Dürfen jüdische Gemeindemitglieder offiziell an Feierlichkeiten teilnehmen, wenn es sich dabei um heidnisch-christliche Traditionen handelt, und diese auch in den Gebäuden der Gemeinde stattfinden lassen?
- Ist es nicht die Aufgabe eines Rabbiners und der Rabbinerkonferenz, dafür zu sorgen, dass Veranstaltungen, die mit dem Judentum nicht vereinbar sind, in den Gemeinden nicht durchgeführt werden dürfen?
Herzlichen Dank
In der Hoffnung auf eine Antwort
verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Аnаtоli Кrеуmаn, 26.03.2023
Mein „falsches Bild“ über Rabbiner
Ich wurde in einer säkularen aschkenasisch-jüdischen Familie in Taschkent, Usbekistan (UdSSR) geboren und aufgewachsen. Der erste Rabbiner, den ich kennenlernen konnte, war der Rabbiner aus einem Buch von Simcha Raz „Ein Tzaddik unserer Zeit“, Rabbi Aryeh Levin ZT“L. Ich war beeindruckt von seinem Leben und seiner wahren Liebe zum jüdischen Volk. Rabbi Aryeh Levin verkörperte für mich den Begriff Ahavat Israel. Der zweite Rabbiner, der mein „falsches“ Bild von Rabbinern geprägt hat, war Rabbi Yitzchok Zilber ZT“L. Rabbi Zilber hat trotz aller Repressalien der Sowjetunion und sogar im Gefängnis niemals aufgehört, die Tora zu lernen und zu lehren sowie die Halacha zu folgen.
Das Leben ist Deutschland hat mein ideales Bild eines Rabbiners gestört.
Ich möchte niemandem zu nahe treten, aber für die große Mehrheit der Rabbiner in Deutschland ist der Beruf des Rabbiners ein gut bezahlter Beruf und keine Berufung. Es geht nicht darum dem Haschem zu dienen, die Halacha zu folgen und zu verteidigen, sondern dem Gemeindevorstand behilflich zu sein und die Halacha so auszulegen, dass sie irgendwie passt. Ich kann nur hoffen, dass mein Schreiben von Rabbinern gelesen wird, die dem Haschem dienen und nicht dem Vorstand irgendeiner jüdischen Gemeinde.
P.S. Meine Fragen, sowie Ihre Antwort (oder Ihr Schweigen) werden auf meiner Seite veröffentlicht. Außerdem werde ich mein Schreiben in Kopie an einige jüdische Organisationen und Medien zwecks Offenheit bei den kritischen Fragen weiterleiten.
Empfangsbestätigung, 30.03.2023
Dear Mr Кrеуmаn,
Enclosed I acknowledge receipt of your letter addressed to us.
The Standing Committee of the Conference of European Rabbis will carefully consider your request in detail after the coming Passover holiday, and we will send you a comprehensive response shortly.
Until then, I wish you a happy Passover and remain with kind regards.
Sincerely yours,
Shorena Mikava
Legal counsel and special adviser of the board of patrons
Freundliche Erinnerung nach zwei Monaten des Wartens, 30.05.2023
Kann ich noch auf eine Antwort hoffen?
Herzlichen Dank!
Antwort der Europäischen Rabbinerkonferenz, 30.03.2023
Lieber Herr Кrеуmаn.
nachdem ich von der Situation erfahren habe, die Sie in den unten stehenden E-Mails geschildert haben, möchte ich Sie bitten, den Oberrabbiner in Köln, Rabbiner Brukner, zu kontaktieren.
Wir glauben, dass diese Angelegenheit 1. mit der Gemeinde und dem örtlichen Oberrabbiner besprochen und geprüft werden muss.
Ich danke Ihnen sehr
Gady Gronich
Meine Antwort auf die vorheriger E-Mail, 01.06.2023
Guten Abend Herr Gronich, guten Abend liebe Rabbomin,
vielen Dank für Ihre Antwort.
Ich hatte wirklich gehofft, dass eine Rabbinerkonferenz in der Lage sein würde, eine auf der Halacha basierende Antwort zu geben. Nämlich steht auf Ihrer Seite: „die Halacha ist die Grundlage des jüdischen Lebens.“
Es ist traurig, dass jemand eine „umfassende Antwort in Kürze“ verspricht und nach zwei Monaten Wartezeit auf einen lokalen Rabbiner verweist. Mit dem Rabbiner Brukner habe ich bereits das Thema ausführlich diskutiert.
Aber noch trauriger ist es, dass Personen, die sich öffentlich als orthodoxe Rabbiner präsentieren und sich offiziell als „geistliche Führer unseres Volkes und Hüter und Lehrer des jüdischen Rechts in Europa“ bezeichnen, nicht einmal den Mut haben, die Wahrheit zu sagen und sich zu einer einfachen halachischen Frage zu äußern.
Möge Haschem barmherzig und gerecht mit Ihnen sein.
Herzliche Grüße
Аnаtоli Кrеуmаn
P.S. Gnädiger G-tt, vergib den Rabbinern, dass ihre Angst, dem Arbeitgeber zu widersprechen, größer ist als ihre Liebe zu Dir und Deinen Gesetzen.
Anlagen:
- Die Antwort der deutschen orthodoxen Rabbinerkonferenz
- Artikel: Orthodoxe jüdische Gemeinde Kölns tanzt den Can-Can
- Artikel: Sind die deutschen Juden reif für die christliche Fastenzeit?
Neben der Europäischen Rabbinerkonferenz* (CER, Conference of European Rabbis) wurde die Mappe mit allen Unterlagen zum Thema Karneval mehrere Organisationen versandt.
* auch per E-Mail an folgende Mitglieder der CER:
- Gady Gronich
- Rabbi Moshe Lebel
- Rabbi Aharon Shmuel Baskin
- Daniel Kogan
- Dr. Alexander Pesov
- Rabbi Moshe Lewin
- Chief Rabbi Albert Guigui
Ich werde mich bemühen, möglichst viele jüdische Gemeinden über die Karnevalsfeiern in der Synagoge der Synagogen-Gemeinde Köln zu informieren.