Leges sine moribus vanae – Gesetze ohne Moral sind nutzlos
Die Wahlen in die Gemeindevertretung der Synagogengemeinde Köln im Jahre 2017 haben mich dazu veranlasst, das Thema der jüdischen Gerichtsbarkeit zu erörtern.
Ebenso wie im Jahr 2006 waren die aktuellen Wahlen von zahlreichen groben Verletzungen der demokratischen Normen begleitet. Allerdings war im Jahr 2006 dagegen mit Erfolg beanstandet worden, wohingegen in diesem Jahr keine vergleichbare Reaktion folgte.
Im Folgenden soll dies diskutiert werden.
Wie soll man nun im Fall von aufkommenden Konflikten und unlösbaren Widersprüchen innerhalb der jüdischen Gemeinden in Deutschland vorgehen? Es bestehen zunächst zwei erdenkliche Rechtswege. Zum einen sieht die Einreichung der Klage beim rabbinischen Gericht (Beth-Din) vor, dass ein Fall nach den Gesetzen der Halacha, mit Rabbinern als Richtern, begutachtet wird. Zum anderen sorgt die Einreichung der Klage beim Schiedsgericht des Zentralrats mit ehrenamtlichen Anwälten im Zweifelsfall der Legitimität für die Entscheidung über die Gültigkeit der Wahlen.
Nun könnte sich der Leser fragen, warum die dritte Möglichkeit nicht erläutert wird, wobei diese der Mehrheit als die einfachste und effektivste erscheinen mag. Gemeint ist nämlich die Einreichung der Klage beim ortsansässigen Amtsgericht oder die Anzeigenerstattung bei der Staatsanwaltschaft oder der Polizei. Bedauerlicherweise kann davon aus folgendem Grund nur stark beschränkt Gebrauch gemacht werden. Wenn es zwischen den Gemeindemitgliedern zu offenen Konflikten kommt, besteht immer die Möglichkeit, eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Zum Beispiel, wenn eine nachweislich unwahre Aussage (eine Verleumdung) verbreitet wird. Beim Aufkommen von strittigen Situationen im Wahlprozess (wie im vorliegenden Fall) jedoch ist die Einreichung der Klage beim deutschen Gericht vollkommen perspektivlos. Der Gerichtsweg wird abgelehnt.
Der Instanzenweg ist aufgrund der juristischen Unabhängigkeit der jüdischen Gemeinden in Deutschland ausgeschlossen. Dieser Praxis liegt der Beschluss der Weimarer Reichsverfassung aus dem Jahr 1919 zugrunde, in der die Prinzipien der Trennung von Religion und Staat festgelegt worden waren. Somit wird die Gemeinde dank des ihr zur Verfügung gestellten Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht etwa zu einem Staat im Staat, sondern zu einem vollkommen unabhängigen Staat erklärt. Dementsprechend sind die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland in diesem Staat nicht rechtskräftig. (Weimarer Reichsverfassung Art. 137-139 und Art. 141 Grundgesetz).
Den Beschluss des Verwaltungsgerichts der Stadt Köln auf unsere Klage finden Sie am Ende dieser Seite.
Wie geht also das Schiedsgericht des Zentralrats im Fall einer Einreichung der Klage mit der Forderung, die Wahlen als ungültig anzuerkennen vor? Das Gericht prüft, inwiefern die Anwartschaft des Klägers begründet ist, dennoch liegt der ausschlaggebende Kernpunkt darin, ob und inwieweit die Forderungen der Gemeindesatzung entsprechen. Wenn also die Vorschriften der Satzung verletzt werden, ist dies der hinreichende Grund dafür, die Wahlen für ungültig zu erklären. In diesem Fall wird die Gemeinde zu Neuwahlen verpflichtet.
Das Gemeindemitglied als Kläger kann und sollte einen Anwalt aufsuchen, damit seine Interessen zielgenau vertreten werden. Ebenso wird der Gemeindevorstand als Beklagter vor Gericht juristisch repräsentiert. Doch im Gegensatz zum Kläger verfügt der Beklagte über das Privileg, eine beliebige Anzahl von Anwälten mit unterschiedlich hoher professioneller Qualifikation zu beanspruchen, da er finanziell nicht beschränkt ist. Denn das Honorar wird nicht aus eigener Tasche, sondern aus dem Gemeindebudget gezahlt.
Die jeweils vom Kläger und Beklagten beauftragten Anwälte handeln ausschließlich im Einklang mit den Gesetzen und Normen des deutschen Staates. Alle Verfahrensnuancen stimmen mit den Gesetzen überein und berufen sich stets auf die entsprechenden legislativen Akten.
Im vorliegenden Fall beabsichtigte der Gerichtsbeschluss über die Neuwahlen, auf keinen Fall die Schuldigen wegen Verstöße und zu gezwungener Durchführung der Neuwahlen zu verurteilen, sondern appellierte lediglich zum „guten Benehmen“ („Der Vorsitzende appellierte an Parteien, gegenseitig Respekt und Fairness unter anderen auch bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen zu wahren.“). Bei der Festlegung der Neuwahlen behielten die in Manipulationen Beschuldigten ihre Positionen. Auch wurden die hohen Ausgaben der Gemeinde nicht kompensiert, wobei es sich um Zehntausende Euro handelte. Meiner Vermutung nach, schwankt die Wahlkostenerstattung der SGK zwischen 25.000 und 35.000 Euro.
Es ist außerdem bemerkenswert, dass der Kläger faktisch doppelt zahlen musste: für sich und für den Beklagten, mittels der Gemeindebeiträge (die so genannte Kirchensteuer) und der regulären Steuern, denn offenkundig besteht der Großteil des Gemeindebudgets aus Staatszuschüssen.
Schließlich möchte ich bündig meine vereinfachte Sichtweise des Begriffs der Jurisprudenz erläutern. Für mich besteht sie aus einer Kombination der drei unabdingbaren Grundlagen: des gesunden Verstands, der Logik und der absoluten Gerechtigkeit.
Verehrte Anwälte, die die Rolle der Richter übernehmen, kriegen Sie keine Gewissensbisse, wenn Sie Entscheidungen treffen, die nicht etwa auf objektiven Gegebenheiten und gesundem Verstand basieren, sondern vielmehr auf Grundlage der Verfahrensformalitäten? Sollte das Schiedsgericht im synagogalen Rahmen sich nicht auf die Berücksichtigung der moralischen Prinzipien des Judentums stützen? Sollten die Worte des Rabbi Hillel: „Was du nicht willst, dass man dir tun soll, das füge keinem anderen zu. Das ist die ganze Thora, der Rest ist Kommentar“ nicht auch im Schiedsgericht präsent sein?
Ich bin der Überzeugung, dass wenn jemand seine hohe Stellung und fremde Ressourcen für die Verfolgung seiner eigenen Ziele ausnutzt, so ist es widerrechtlich, amoralisch und unfair. Wenn alles oben Stehende dem Schiedsgericht nicht entspricht, so ist das Schiedsgericht kein jüdisches Gericht und verfügt nicht über die hinreichende Legitimation, um Entscheidungen im Rahmen der jüdischen religiösen Gemeinde zu treffen. Ich erlaube mir, wiederholt daran zu erinnern, dass eben der religiöse Glaube eine gesellschaftliche Organisation zu einer Organisation (K.d.ö.R.) macht, die sich keinem deutschen Gesetz unterwirft.
Sollte nicht eine der entscheidenden Aufgaben eines Gerichts die objektive Aufstellung der Wahrheit sein? Kann oder vielmehr sollte nicht ein Gericht den Gemeindevorstand zu Verantwortung ziehen oder gar bestrafen? Denn ausgerechnet die Straflosigkeit motiviert zu weiteren Regelverstößen.
Zusammenfassend möchte ich sagen, dass ich keinen Unterschied zwischen dem weltlichen Gericht (Amtsgericht, Verwaltungsgericht) und Schiedsgericht des Zentralrates sehe. Nach meiner festen Überzeugung widerspricht die oben beschriebene Form der Rechtsprechung der Logik und den moralischen Prinzipien des Judentums.
Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 06.12.2006
Der Antrag wurde wegen Recht der Kirchen-, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie Ordensgesellschaften abgelehnt.
Seite 1:
Herr Abraham Lehrer ist nicht nur immer noch das Vorstandsmitglied der Synagogen-Gemeinde-Köln, sondern auch der Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland und der Präsident der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland
Seite 2
Seite 3
Seite 4
Seite 5