Dieser Beitrag* versucht, eine Antwort auf die Frage zu geben, wer nach meiner bescheidenen Vorstellung die jüdische Gemeinschaft vertreten kann und was einen potenziellen Kandidaten erwarten kann.
Kandidat als Objekt von öffentlichem Interesse
Leider ist mir erst in diesem Jahr klar geworden, dass manche Kandidaten die öffentliche Diskussion über ihre Person als etwas Fremdes, ja sogar als etwas Illegales empfinden.
Wenn sich jemand für das „Parlament“ einer öffentlichen Organisation mit tausend Mitgliedern bewirbt, die im Mittelpunkt der Gesellschaft steht (unabhängig von negativen oder positiven Ereignissen), muss man davon ausgehen, dass die Wähler nicht nur die Kandidatenpräsentation auf einer A4-Seite lesen möchten, sondern die Kandidaten wirklich näher kennenlernen wollen. Kennenlernen bedeutet zu wissen: Woher kommt man, wie verdient man seinen Lebensunterhalt, welche Hobbys hat man, was macht der/die Ehepartner/in, was hat diese Person bereits für die Gemeinde getan usw.
Wenn ein bereits gewählter Vertreter einer öffentlichen Organisation sich erneut zur Wiederwahl stellt, ist es für die potenziellen Wähler wichtig zu wissen, was dieser Kandidat bereits getan hat. Auch die Transparenz über die Anwesenheit oder Teilnahme an Sitzungen ist ein wichtiger Teil der Verantwortung gegenüber den Wählern.
Kritische Berichterstattung
Die Möglichkeit, öffentlich über das Verhalten und das Leben der gewählten Vertreter der Gemeinde zu diskutieren, ist ein legitimes öffentliches Interesse der Mitglieder der Gemeinschaft (mehr als nur eine Gemeinde) und ein wichtiger Aspekt der demokratischen Kontrolle. Die Kandidaten sollten sich darüber im Klaren sein, dass ihre Rolle als Vertreter der Öffentlichkeit eine besondere Aufmerksamkeit auf ihr Leben lenkt, sowohl vor als auch nach der Wahl.
Leider gibt es aber auch Kandidaten, die nicht in der Lage sind, diesem Druck stand zu halten. (öffnen).
Informationsquellen
Da wir im Zeitalter des „Informationsexhibitionismus“ leben, ist es leicht, eine Unmenge an Informationen über Einzelpersonen zu finden. Allein auf Facebook veröffentlichen einige Leute heutzutage eine immense Menge an schützenswerten Informationen, die es ermöglichen, das komplette Leben einer Person zu rekonstruieren (alle Reisen, Besuche, Informationen über die Kinder, Fotos von Freunden, Politische Ansichten und persönliche Vorlieben usw.). Hinzu kommen noch Google, Bing, Yandex und andere soziale Netzwerke (besonders LinkedIn).
Lebensmittelpunkt
In Deutschland gibt es den Begriff „Lebensmittelpunkt“. Der Lebensmittelpunkt definiert einen Ort, an dem eine Person den Schwerpunkt ihrer Lebensbeziehungen hat: an dem jemand überwiegend lebt bzw. die meiste Zeit verbringt, an dem die Familie lebt, die Kinder zur Schule gehen usw. Bei Verheirateten liegt der Lebensmittelpunkt immer dort, wo die gemeinsamen Kinder leben.
Der Begriff „Lebensmittelpunkt“ ist rechtlich relevant, insbesondere im Zusammenhang mit Wahlen, kommunalpolitischen Ämtern und im steuerlichen Kontext (Steuerpflicht).
Es stellt sich die Frage, wie angemessen es ist, für ein Amt in einem Gemeinderat (Repräsentanz, Gemeindevertretung, Gemeindeparlament) zu kandidieren, wenn man dauerhaft in einer anderen Stadt oder sogar in einem anderen Land lebt. Dies wirft mehrere wichtige Punkte auf:
- Wie kann ein Kandidat die Interessen der Gemeinde effektiv vertreten, wenn er nicht vor Ort ist?
- Wie kann jemand, der nicht regelmäßig am Gemeindeleben teilnimmt, die aktuellen Bedürfnisse und Herausforderungen der Gemeindemitglieder kennen und verstehen?
- Wie kann die regelmäßige Teilnahme an Sitzungen und Veranstaltungen gewährleistet werden, wenn man nicht vor Ort wohnt?
- Welche Auswirkungen hat eine solche Kandidatur auf die Glaubwürdigkeit und Integrität des Gemeinderates?
Kandidat als Vorbildfunktion
Die Rolle der Gemeindevertreter geht weit über die formalen Aufgaben hinaus. Als gewählte Vertreter tragen sie eine besondere Verantwortung nicht nur gegenüber der eigenen Gemeinde, sondern auch als Stellvertreter (Vorbilder) für die gesamte jüdische Gemeinschaft in Deutschland. Nach dem 07.10.2023 ist dies von besonderer Bedeutung.
Die Vorbildfunktion kann folgende Aspekte umfassen:
- Die Gemeindevertretern sollten in ihrem persönlichen und beruflichen Leben höchste ethische Standards demonstrieren.
- Die aktive Teilnahme am Gemeindeleben und die regelmäßige Anwesenheit bei Sitzungen und Veranstaltungen sind unerlässlich und selbstverständlich.
- Die Offenlegung möglicher Interessenkonflikte, soweit sie die Arbeit in der Gemeinde betreffen, steht ebenfalls außerhalb jeder Diskussion. Alles, was von der Gemeinde kommt, muss offengelegt werden, unabhängig davon, ob es sich um bezahlte Tätigkeiten oder andere Ressourcen der Gemeinde handelt (z. B. Wohnen in der gemeindeeigenen Wohnung).
- Die Gesetzeskonformität für die Gemeindevertreter ist ein Muss. Die Einhaltung aller relevanten Gesetze und Vorschriften innerhalb und außerhalb der Gemeindearbeit ist ebenfalls selbstverständlich.
Herausforderungen für die Integrität der Gemeindevertretung
Die Realität in den einigen jüdischen Gemeinden sieht leider oft anders aus. Es wurden immer wieder Situationen beobachtet, in denen Kandidaten für Gemeinderäte:
- noch nie offiziell in Deutschland gearbeitet haben, obwohl sie seit Jahrzehnten hier leben. Was noch schlimmer ist, sie bieten Dienstleistungen an, die „schwarz“ bezahlt werden.
- regelmäßig in ihr Herkunftsland reisen, um dort Einkünfte aus vermieteten Immobilien oder anderen laufenden Geschäften zu erzielen.
- selbst vom deutschen Staat bezahlte Wohnungen werden illegal untervermietet.
- Kindergeld für im Ausland lebende Kinder beziehen.
Diese obere Liste ist allgemein, auch wenn jemand sich hier wiedererkennt.
Solche oder ähnliche illegale Praktiken untergraben nicht nur das Vertrauen in die Gemeindevertretung der einzelnen Gemeinden, sondern schaden dem Ansehen der gesamten jüdischen Gemeinschaft in Deutschland. Das ist ein Grund für noch mehr Antisemitismus.
Fazit
In heutiger Welt ist Rolle eines Gemeindevertreters in einer jüdischen Gemeinde mit großer Verantwortung verbunden. Sie erfordert nicht nur Engagement und Kompetenz, sondern auch ein hohes Maß an persönlicher Integrität und Transparenz. Man müsse „päpstlicher als der Papst“ sein.
Lesenswerter Beitrag:
In diesem Artikel wird versucht, die Frage zu beantworten, warum bzw. was Gemeindemitglieder dazu bewegt, sich zur Wahl in die Gemeindevertretung einer jüdischen Gemeinde in Deutschland aufstellen zu lassen:
* dieser Beitrag ist eine gründlich überarbeitete und erweiterte Version des Beitrags, der am 18.08.2024 veröffentlicht, aber zum Wohle der Familie S. zurückgezogen wurde.